Interview mit Michael Denk (Quadoro)
Juni 2022
Interpretationssache
Nachhaltigkeit – jeder hat seine eigene Definition
Kaum ein Begriff ist in dieser Zeit so positiv besetzt wie „Nachhaltigkeit“, englisch „Sustainability“. Doch was steckt tatsächlich dahinter, und welche Auswirkungen hat Nachhaltigkeit auf die Immobilienbranche? Michael Denk ist Geschäftsführer der Quadoro Investment GmbH. Sie hat für professionelle Anleger den Immobilienfonds „Quadoro Sustainable Real Estate Europe“ aufgelegt.
Markus Gotzi: Alle reden darüber, aber fast jeder mit einer eigenen Definition. Was bedeutet für Sie „Nachhaltigkeit“?
Michael Denk: Da gibt es tatsächlich viele Interpretationen. Das Problem ist, dass viele Lobbyisten den Begriff für ihre Zwecke missbrauchen. Beispiel Digitalisierung. Ein Smart Home kann nicht die Lösung sein. Es ist teuer, die Technisierung frisst saubere Energie, außerdem wird graue Energie bei der Erstellung verbraucht. Das bezeichne ich nicht als nachhaltig. Leider haben wir in Deutschland und Europa noch keine verbindliche Benchmark zur Messung von nachhaltigen Zielen.
Markus Gotzi: Woran orientieren Sie sich dann?
Michael Denk: Für uns ist zunächst einmal das Pariser Klimaübereinkommen maßgeblich mit dem Ziel, CO2 einzusparen. Darüber hinaus berücksichtigen wir die Taxonomieverordnung. Sie fordert, Kapitalströme vermehrt in nachhaltige Investments umzuleiten. Grundlage sind die beiden bislang ausformulierten Umweltziele: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.
Markus Gotzi: Wie muss ich mir das konkret vorstellen?
Michael Denk: Unsere Benchmark ist der Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM). Er wurde von vier europäischen Hochschulen und der Investoren-Initiative GRESB entwickelt, was für Global Real Estate Sustainability Benchmark steht, und durch das EU-Förderprogramm „Horizon 2020“ finanziert. Die BaFin hat unser Konzept akzeptiert, dass auf CCREM basiert, und wir sehen eine gute Chance, dass die benchmark europaweit anerkannt wird.
Markus Gotzi: Ist das eine abweichende Regelung zum Gebäudeenergiegesetz?
Michael Denk: Das deutsche Gebäudeenergiegesetz ist die nationale Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie und regelt die die Ergieeffizienz von Gebäuden. Der Carbon Risk Real Estate Monitor hingegen zielt auf die CO2-Emissionen. Neben dem Energieverbrauch kommt es dabei auch wesentlich auf die Energiequellen an. Bei gleichem Energieverbrauch steht ein Gebäude, das nicht fossil beheizt wird, betreffend Klimaschutz besser da.
Markus Gotzi: Wird das Thema Nachhaltigkeit überschätzt, auch von Investoren? Werden andere Rendite-Kriterien wie Standort, Lage und Mieter nicht vernachlässigt?
Michael Denk: Ganz im Gegenteil. Nachhaltigkeit ist jetzt schon extrem entscheidend und wird es immer mehr, nicht nur hierzulande. Beispiel Niederlande: Dort haben sie ein System eingeführt mit dem Ziel, dass Bürogebäude der Kategorie C ab 2023 nicht mehr vermietet werden dürfen. Und alles, was schlechter ist als A, ab voraussichtlich 2030 nicht mehr. Savills schätzt, dass 1,3 Millionen Quadratmeter Bürofläche bereits ab 2023 betroffen sind.
Markus Gotzi: Ein Nutzungsverbot. Die Wirtschaft rutscht weltweit in eine Rezession, und Flächen werden künstlich verknappt.
Michael Denk: Nur weil die Wirtschaft sich abschwächt, werden die Klimaziele nicht vernachlässigt. Meiner Meinung nach sind die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels außerdem gravierender als die Wirtschaftsentwicklung und der Krieg in der Ukraine. Maßnahmen zum Klimaschutz können außerdem als Konjunkturprogramm gesehen werden.
Markus Gotzi: Gilt das nur für Bürogebäude oder auch für Wohnungen?
Michael Denk: Erst mal nur für Büros, doch Wohnungen dürften folgen. Auch in Deutschland.
Markus Gotzi: Damit werden doch massiv Werte vernichtet. Wer soll Immobilien kaufen, die nicht vermietet werden dürfen?
Michael Denk: Es wird Käufer für solche stranded assets geben, doch nur mit hohen Preisabschlägen, um die notwendige energetische Sanierung zu finanzieren. Außerdem müsste ein Investor deutlich mehr Eigenkapital einsetzen, denn die Banken stellen für stranded assets nur begrenzt Darlehen zur Verfügung.
Markus Gotzi: Wie soll die energetische Sanierung gelingen? Laut Bundesagentur für Arbeit fehlen schon jetzt 160.000 Fachkräfte im Handwerk.
Michael Denk: Das ist tatsächlich ein Problem, für das ich keine kurzfristige Lösung sehe.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde bereitgestellt vom Journalisten Markus Gotzi. Der Autor versichert, dass die Nachrichten unter Beachtung journalistischer Sorgfaltspflichten, insbesondere der Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung sowie der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit abgefasst werden. Für solche Artikel ist der jeweilige Autor verantwortlich. Diese Artikel stellen die Meinung dieses Autors dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung der Fondsbörse Deutschland dar.